Die Geschichte unseres Vereins beginnt damit, dass sich im Januar des Jahres 1927 einige Jungbauern mit ihren Arbeitspferden auf einer tief verschneiten Wiese an der Straße nach Dauborn zu einer Reitstunde trafen. Unter der Leitung von Schmiedemeister Hermann Stauf hielt man dort erste Übungsstunden ab. Damit war der Grundstein für den Reit- und Fahrverein Kirberg gelegt. Zu seinem ersten Vorsitzenden wählte man Rudolf Bender und im März des gleichen Jahres übernahm der Gestütswärter Hempel vom Landesgestüt Dillenburg, dessen Stationsort damals Kirberg war, die Aufgabe des Reitlehrers.
Als im Herbst die Hengste mit ihrem Wärter wieder nach Dillenburg zurückgingen, holte man den alten, erfahrenen Ulanenwachtmeister Börner aus Neesbach als neuen Ausbilder und Reitlehrer. Recht bald wuchs der Verein auf 24 aktive Reiter an. Nun konnte man die ersten Turniere besuchen. Hiervon kehrten unsere Reiter immer recht erfolgreich im Abteilungsreiten und Fahren zurück. Kirberg war damals für seine wunderschönen Oldenburger Gespanne bekannt.
So vergingen die ersten Vereinsjahre. Der ländliche Reitsport wurde von Jahr zu Jahr bekannter und überall gründeten sich neue Reit- und Fahrvereine. In den dreißiger Jahren wurde die ländliche Reiterei durch den Staat politisiert, der Privatiniative beraubt und als Letztes vormilitärischen Aufgaben zugeführt. Der Zweite Weltkrieg brachte dann den Reitsport auch in Kirberg ganz zum Erliegen.
Nach dem Krieg, im Jahre 1949, erwachte erneut bei der jungen Kirberger Generation die Lust und Liebe zum Pferdesport. Der Reit- und Fahrverein Kirberg wurde wieder zum Leben erweckt. Unter den
Vorsitzenden Ernst Hofmann und später Matthias Zinnen und dem Reitlehrer Franz Schlüter begann von neuem ein reges Vereinsleben.
Die ersten Übungsstunden fanden am alten Turnplatz am Weiherweg statt, später dann auf Wiesen am „Chaussee-Kippel“ (oberhalb des heutigen Wasserhäuschens) und am Aussiedlerhof am Hain (Lanski). Zu
den Versammlungen traf man sich abwechselnd in den Kirberger Gasthäusern „Zur Burg“ und im „Deutschen Haus“.
Seit Anfang der 50er Jahre fanden auch wieder Turniere statt. Der an der Wiesbadener Straße gelegene Turnierplatz am „Chaussee- Kippel“ war geradezu ideal für solche Veranstaltungen. Diese Turniere waren aber auch ein gesellschaftliches Ereignis im Kirberger Ortsgeschehen. Die Straßen wurden beflaggt und mit Birkenbäumchen festlich geschmückt, und die Ehrenpreise im Schaufenster von Otto Horn (heute Haushaltswarengeschäft Schmidt) ausgestellt.
Hatte man vor dem Krieg die Wettkämpfe mit ländlichen Arbeitspferden besucht, so tauchten bald schon die ersten edlen Warmblutpferde auf. Die Kirberger Reiter besuchten von nun an jährlich mehrere Turniere und kehrten mit vielen Siegen und guten Plazierungen zurück. Die Anreise zu den auswärtigen Wettkämpfen war für Roß und Reiter zu dieser Zeit recht beschwerlich. Nach einer langen Arbeitswoche auf dem Feld ging es per Kutsche, Ritt und Handpferde zu den Veranstaltungen nach Diez, Elz, Niederzeuzheim etc. Selbst Strecken bis nach Wiesbaden legte man so zurück. Dort wurden Sie dann von ortsansässigen Reiterfreunden aufgenommen, bei denen sie zusammen mit ihrem Pferd übernachten konnten. Hieraus entwickelten sich oft langjährige Freundschaften. In späteren Jahren liehen befreundete Viehhändler den Reitern ein Fahrzeug, dann erfolgte der Transport mit Traktor und einem umfunktionierten LKW als Anhänger, bis sich der Verein im Jahre 68/69 ein vereinseigenes Transportfahrzeug leisten konnte, den Opel Blitz.
Eine neue Heimat fand der Reitverein Ende der 50er Jahre auf einem Gelände unterhalb des Kirberger Burgfelsens an der Limburger Straße. Hier hielt man nun die Übungsstunden ab und veranstaltete auch Turniere.
Anfang der 60er Jahre wurde es um die ländliche Reiterei insgesamt ruhiger. Sie fiel der Modernisierung der Landwirtschaft zum Opfer, da immer mehr Bauern vom Pferd auf den Traktor umstellen mußten und somit immer weniger Pferde zur Verfügung standen. In dieser schweren Zeit war es einigen wenigen Reitern, allen voran Rudi Deußer, Gerhard Müller und Horst Kelschenbach mit ihrem unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass weiterhin genügend jungen Leuten der Zugang zur Reiterei ermöglicht werden konnte und der Reitverein sein Fortbestehen hatte. Auf Initiative von Franz Schlüter und mit finanzieller Unterstützung des Vereins besuchte Gerhard Müller einen Lehrgang in Warendorf. Im Jahr darauf legte er seine Reitwartprüfung ab und übernahm 1964 das Amt des Reitlehrers im Verein.
Im April 1966 pachtete der Reitverein von der Gemeinde Kirberg den ehemaligen Sportplatz im Wald an der Wiesbadener Straße (unseren heutigen Reitplatz an der B 417). Dieser Pachtvertrag umfaßte den ehemaligen Sportplatz in der Größe von 7000 qm, eine Fläche von 110 qm zur Errichtung einer Hütte und eine Fläche von 1000 qm als Abstellplatz für Pferde.
Bereits im September gleichen Jahres fand dort ein großes Reitturnier unter Mitwirkung bekannter hessischer und rheinland-pfälzischer Reiter statt. Zum großen Reiterball im Anschluß an den Wettkampf am Samstagabend spielte das damals bekannte „Steiner-Sextett“ im Festzelt zum Tanz auf. Im darauffolgenden Jahr 1967 folgte das Jubiläumsturnier aus Anlaß des 40jährigen Bestehens unseres Vereins verbunden mit dem Wettkampf um die Wanderstandarte des Bezirksverbandes Lahn-Taunus. Zu dieser Zeit hatte Ernst Müller den Vorsitz inne.
Wurden hier die ersten Turniere noch mit einfachsten Mitteln abgehalten, baute man den Reitplatz im Laufe der Jahre weiter aus. So folgte der Bau der Bewirtschaftungshalle, des Richterturms, die
Vergrößerung des Abreiteplatzes (1981), Bau der Toilettenanlage (1982), mehrmalige Verbesserung des Bodens zuletzt des Hauptplatzes (2001) und des Abreiteplatzes (2002), so dass heute
zum 75jährigen Bestehen eine große Anlage mit bestem Geläuf zur Verfügung steht.
In den 60er und 70er Jahren wurden auch Vielseitigkeitsprüfungen der Kl. A und Kl. L abgehalten, so dass bis Ende der 70er Jahre auch eine Geländestrecke mit festen Hindernissen in unmittelbarer Umgebung des Reitplatzes vorhanden war.
Um die Ausbildung der Reiter auch in der kalten und dunklen Winterzeit zu gewährleisten, mietete sich der Reitverein ab 1966 in den Monaten Januar und Februar in der Reithalle in Niederneisen ein. Die Miete hierfür betrug DM 300,--. Fast täglich wurde dort für ein bis zwei Stunden unter Reitlehrer Gerhard Müller trainiert. Doch der Wunsch nach einer eigenen Reithalle regte sich in den Reihen der Reiter immer mehr. In der Mitgliederversammlung von 1972 unter dem Vorsitz von Herbert Jaide faßte man dann den Beschluß zum Bau dieser Halle. Der damalige Kassenbestand betrug allerdings nur ca. DM 16.000,--. Deshalb verpflichteten sich die Mitglieder jedmögliche eigene Arbeitskraft einzusetzen, Spenden zu zeichnen und Bürgschaften zu übernehmen um das Vorhaben verwirklichen zu können. Die Suche nach einem geeigneten Grundstück gestaltete sich aber schwierig, denn im direkten Umfeld des Ortskerns von Kirberg war kein passendes Gelände zu finden. Schließlich überließ Gerhard Müller dem Verein pachtweise eine Wiese neben seinem Hof.
Mit den zugesagten Vorleistungen der Mitglieder, einiger Zuschüsse und der Mithilfe von Kirberger Bürgern und Pferdefreunden wurde 1973 der Bau begonnen und bereits 1974 unter dem neuen Vorsitzenden Otto Sahl abgeschlossen. An dieser Stelle möchte der Verein allen Helfern und Spendern einen besonderen Dank aussprechen.
Als einer der ältesten Reit- und Fahrvereine im Kreisreiterbund Lahn-Taunus feierte der Reitverein im Jahr 1977, unter Vorsitz von Rudi Deußer, sein 50jähriges Bestehen mit einem Turnier auf dem
Reitplatz an der Hühnerstraße (B 417) und einem Kommers in der Reithalle. Dieser Kommers war gleichzeitig der Rahmen für die offizielle Einweihung der Reithalle und der feierlichen Übergabe der
neuen Vereinsstandarte - gespendet von Vereinsmitgliedern - durch Bürgermeister Erich Valeske. Mit der Ehrennadel des Hess. Landesverbandes wurden ebenfalls während dieses Festaktes Rudi Deußer,
Gerhard Müller und Heinz Luecke vom Vorsitzenden des Hessischen Reit- und Fahrverbandes, Herrn Richard Best, für ihre besonderen Verdienste im Pferdesport, Zucht und Vereinsarbeit ausgezeichnet. Mit
einer großen Dressur-Quadrille bei Fackelschein, musikalisch untermalt von der Feuerwehrkapelle Niederbrechen, und dem „Großen Zapfenstreich“ klang der Kommers aus. Die Halle selbst war unter der
wirtschaftlichen Kassenführung von Heinz Luecke innerhalb von zwei Jahrzehnten schuldenfrei.
Seit Fertigstellung der Reithalle 1974 herrscht dort ein reger Betrieb. Neben dem normalen Reitbetrieb werden fast täglich für Vereinsmitglieder kostenlose Trainingsstunden für Anfänger und Fortgeschrittene unter der Leitung der Vereinsreitlehrer angeboten. Auch ist der Verein für die Privatiniative seiner Mitglieder offen. So haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Gruppen mit privaten Ausbildern, u.a. die Gruppe der Ponyreiter, gebildet. Durchgehend seit 1981 findet vormittags - unter Leitung von Susanne und Manfred Holl - eine Behindertenreitstunde für geistig behinderte Frauen vom Haus Iris, Kirberg, statt.
Wurde die Reithalle in den Anfangsjahren noch stundenweise vermietet, u.a. an die Reitsportfreunde Heringen oder den Beritt Hummel vom Haus Iris, so wurde mit steigender Mitgliedszahl der Platz bald recht eng. So kam und kommt immer wieder die Diskussion um eine Hallenvergrößerung oder einen Hallenneubau auf.
Seit der Vereinsgründung liegt das Hauptaugenmerk auf der gründlichen Ausbildung der Pferde und Reiter und vor allem der Jugendarbeit. Mit Franz Schlüter, dem langjährigen Reitlehrer Gerhard Müller und den zweiten Reitlehrern Thomas Deußer, Manfred Holl und Daniela Hofmann, standen immer qualifizierte Ausbilder aus den eigenen Vereinsreihen zur Verfügung. Heute fortgesetzt von Reitlehrer Jost Müller und der zweiten Reitlehrerin Cornelia Faber-Müller. Auch werden Lehrgänge besucht und abgehalten. Mit Helge Deußer, Jost Müller und Peter Reichel stehen auch hierfür erfahrene Trainer aus dem eigenen Verein zur Verfügung. Im regelmäßigen Turnus werden Prüfungen zum Erlangen des Reiterabzeichens abgehalten.
Die Bilanz der sportlichen Erfolge bestätigt diese Vereins-Philosophie. Jedes Turnierwochenende kehren unsere Reiter mit Siegen und Plazierungen von den Wettkämpfen zurück. Zahlreiche Hessen-, Bezirks- und Kreismeister wurden und werden von unserem Verein gestellt.
Der Reit- und Fahrverein Kirberg besteht neben den aktiven Turnierreitern aber auch aus der großen Mitgliederzahl an „Freizeitreitern“. Denjenigen Reitern also, die - ohne den sportlichen Wettkampf auf den Turnieren zu suchen - aus reiner Freude, Liebe und Lust am Umgang mit dem Pferd den Reit- und Fahrsport betreiben.
Zu erwähnen sind auch die erfolgreichen Züchter in unserem Verein, u.a. die Familien Deußer, Müller und Reichel, deren Pferde bis hin zu Springen der Klasse S erfolgreich in Einsatz kommen.
Aber auch das gesellschaftliche Vereinsleben kam und kommt nicht zu kurz. Mit dem Bau der Reithalle hatten die Kirberger Reiter nun endlich auch ein eigenes Vereinsheim, das Reiterstübchen, um Mitgliederversammlungen, Weihnachtsfeiern und Sitzungen abzuhalten. Hier kehrt man nach der Reitstunde und zum Stammtisch ein. Zahlreiche Vereinsveranstaltungen wie Silvesterfeiern, Faschingsveranstaltungen aber auch „private“ Feiern wie runde Geburtstage, Jubiläen, Polterabende, Bäumchenstellen werden dort ausgiebig gefeiert.
Fuchsjagden mit Hundemeute, Vereinsritte und Quadrillen werden organisiert.
In den 50er und 60er Jahren nahmen die Kirberger Reiter regelmäßig an Festumzügen, auch im Umkreis, wie Limburger Faschingszug, teil. Ein großes Ereignis war der Festumzug zur 600-Jahrfeier von Kirberg im Jahre 1955, zu dem der Reitverein einige große Schaunummern mit diversen Kutschen und Reitergruppen stellte. Noch heute begleiten die Kirberger Reiter die Festumzüge der örtlichen Vereine. Anläßlich des Kirberger Herbstmarktes wurden schon mehrmals große Quadrillen auf dem Bolzplatz geritten.
Auch ohne Pferde sind unsere Vereinsmitglieder bei sportlichen Ereignissen sehr erfolgreich. So stellte der Reitverein Kirberg mehrmals die Siegermannschaften bei örtlichen Vereinswettkämpfen:
„Spiel ohne Grenzen“, veranstaltet von der Vereinsgemeinschaft
Mannschaftswettschwimmen, veranstaltet von der DLRG-Ortsgruppe
Mannschaftsmeister im Schießen, veranstaltet vom Schützenverein.
Eine große Vereinstradition ist es auch, bei Hochzeiten von Vereinskameraden das Brautpaar mit einer Reiterstaffel zur Kirche zu eskortieren.
Zur Jahrtausendwende vollzog sich ein Generationenwechsel im Führungskreis des Vereins. Langjährige und verdiente Mitglieder übergaben ihr Amt an die nunmehr dritte Generation. Fest im Sattel sitzt auch schon die vierte Generation.
Der Reit- und Fahrverein Kirberg e.V. 1927 feiert in diesem Jahr sein 86jähriges Bestehen. Er hat heute rund 240 Mitglieder, die auf eine lange erfolg- und ereignisreiche Vereinsgeschichte zurückblicken können.